Vergiss „perfekt“! Die Entstehungsgeschichte eines komplett instagram-untauglichen Bärlauchpestos

Bärlauchpesto selber machen
Bärlauchpesto selbstgemacht

Ha! Nehmt dies, ihr InstagrammerInnen! Ganz ohne Filter, hübsche Mascherl, gehandletterte Etiketten, Retro-Blümchen-Stoffhauberl und sonstigen Deko-Firlefanz. SO sieht es nämlich tatsächlich aus, wenn eine Working Mum Bärlauchpesto macht.

Ok, das will jetzt wahrscheinlich keiner auf einem Blog, Instagram oder Facebook sehen. Sondern eher, dass ich den Bärlauch während eines pädogogisch wertvollen Spaziergangs durch einen naturbelassenen Wald weit weg von Autoverkehr und Hundelulu gesammelt habe. Dass mein knapp Zweijähriger noch als Opa seinen Enkerln von den dort erlebten wundervollen Naturerlebnissen erzählen wird, von selbstgebastelten Blumenkränzen über das Beobachten herumtollender, vom Frühlingsduft trunkener junger Rehe bis zum wahnsinnig spirituellen Gefühl des Umarmens eines frisch knospenden Baumes.

Mein Kind sollte dabei am besten aussehen wie direkt Astrid Lindgren`s Bullerbü aus den 50-ern entsprungen, schirmkappenbemützt, mit Lederhosenträgern und einer wollenen Knickerbocker behost, und selbstverständlich einem hübschen Weidenkörbchen am Arm.
Ich selbst im fesch-legeren Freizeitstyle, schwärmerisch gen Himmel blickend, die Lippen in 540 ravishing rouge, und die frisch lackierten Fingernägel wie zufällig irgendwo am Bildrand platziert, um einen hübschen Farbkontrast zu dem betont lässig über die Schulter geworfenen Jopperl aus Birkenrindenleder zu schaffen, durch und durch cruelty-free. Die Stoffpatscherl blitzsauber, und die Pausbackerl gesund gerötet von der guten Luft.

Am besten dann noch schnell der Kleider entledigt und mich so lange verrenkt, bis ich ein Foto meiner postpartalen Bikinibridge (haha) ins Netz stellen kann. Die chilligen 18 Grad sieht dann ja keiner. Bräunungsaktivator und Straffungscreme geschickt im Bild drapiert, denn immerhin soll ich ja auch noch in eigener Sache influencen. (Ist das jetzt Anti-Influencen?! Ich weiß es nicht…)

Anschließend einträchtige Pestozubereitung in der pastellfarbenen Retroküche, lachende Kinderaugen, begeistertes Rühren mit dem Holzlöffel und die obligatorischen Bärlauchpastentupfer auf dem heiteren Kindernäschen. Liebevolles Einfüllen und Dekorieren der fertigen Gläschen und dann noch eben schnell ein Foto von dem ganzen Glück online gestellt! Hach, diese Idylle.

Wie es tatsächlich war? Kind nach dem Kindergarten bei Nieselregen in den städtischen Park um die Ecke geschleift. Bärlauch gepflückt, ohne mich bei jedem Ausreißen eines Blattes zuvor bei der Natur für ihre gütigen Gaben zu bedanken. Kind hat Grashalme und Blatterl abgerupft und mit ins Bärlauchsackerl geschmissen, damit ich mir nachher leichter beim Aussortieren tu`.

Letzteres war übrigens eher so im Slackerstyle: Trainingshose mit hohem Polyesteranteil, geschenkt bekommen von der uralten Nachbarin, schirch wie die Nacht (also die Hose, nicht die Nachbarin). Die wirklich sehr nette Dame beglückt uns nämlich vorzugsweise mit knisternden Billigsdorfersocken, in ihren Augen sicherlich wahnsinnig schönen rosa Plastik-Rüschendeckerln und undefinierbaren abgepackten Cremewafferln, erstanden entweder im türkischen Diskonter oder als Bazar-Schnäppchen vom letzten Heimurlaub mitgebracht.
Und da Mama manchmal einfach nicht den Nerv hat neben Arbeit, Zugspielen, Kochen, Aufräumen, und so weiter und so weiter, auch noch Wäsche zu waschen, wird immer mal wieder dankbar auf die edlen Polyesterspenden zurückgegriffen.

Ich selbst sah übrigens nicht einen Deut besser aus, denn stellt euch vor, ich hab mich nicht extra gekämmt, gestriegelt und herausgeputzt, sondern die alte abgenudelte Fleecejacke übergeworfen und beschlossen dass „schnell zusammenbinden“ auch eine Frisur ist.

Am Heimweg ein vor Industriezucker strotzendes, nicht-veganes Eis gegessen.
Nicht dass ich dann nicht eh ein bisserl ein schlechtes Gewissen hätte. Von wegen ungesunder Ernährung natürlich in erster Linie, und dann noch der vermaledeite Plastik-Wegwerflöffel, kruzifix. Aber ganz ehrlich: auch als bio-affine, plastikvermeidende, frisch kochende vermeintliche Supermami bin ich nicht perfekt und hab auch wenig Lust dazu mich so zu inszenieren. Denn verdammt: manchmal will ich mich einfach entspannt mit meinem Kleinkind auf eine Parkbank setzen, ein Eis aus einem depperten Becher essen und diesen dann samt dem Sch… Löffel in die nächste Tonne hauen. Und später gibt`s dann noch ohne schlechtes Gewissen ein Weißmehl-Kipferl, wohlgemerkt mit den vom Eis klebrigen Fingern, die inzwischen schön an Hauswänden entlanggestreift sind. Seufz. Wird schon gut für`s Immunsystem sein, gell.

Was soll ich sagen. So war`s eben und mehr ist nicht dahinter.
Achso, ja: das Pesto hab ich dann auch noch gemacht. Irgendwann noch schnell um 22 Uhr, als das Kind im Bett war. Und dann sieht das eben so aus und nicht anders: in x-beliebige Gläser abgefüllt und im Kühlschrank verstaut, direkt unter der Whiskeyflasche 😛

2 Kommentare zu „Vergiss „perfekt“! Die Entstehungsgeschichte eines komplett instagram-untauglichen Bärlauchpestos“

  1. You made my day. 🙂 Den ersten Lacher des Tages Dir zu verdanken und wenn das Pesto so gut schmeckt wie mir der Text gefallen hat, dann kann ich nur sagen:“ Sch… auf Instagram, ich nehm das Pesto.“ Herzliche Grüße

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    1. Zunächst einmal: Entschuldige, dass ich deinen Kommentar erst Monate später freigeschalten habe – tatsächlich habe ich erst vor etwas mehr als einer Woche festgestellt, dass mit meinen Email-Einstellungen etwas nicht mehr gestimmt hat, darum wurden mir viele Kommentare/ Nachrichten nicht mehr weitergeleitet und ich hab einiges übersehen!
      Jedenfalls: Danke für`s Kompliment! (Ich hab immer noch Vorräte vom Pesto übrig 😉 )

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